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Atmende Wände breathing walls Der Begriff "atmende Wände" geht auf einen Irrtum des deutschen Hygienikers Max von Pettenkofer (1818-1901) zurück. Er stellte bei seinen Untersuchungen zum Luftwechsel in einem Raum fest, dass sich nach dem vermeintlichen Abdichten sämtlicher Fugen die Luftwechselrate weniger als erwartet verminderte und erklärte das durch einen Luftaustausch durch die Ziegelwände hindurch. Offensichtlich gab es jedoch aus heutiger Sicht bei seinem Versuch Mängel in der Abdichtung eines im Raum befindlichen Kamins. In einem zusätzlichen Versuch wies er nach, dass Ziegel, Luftkalkmörtel und ähnliche poröse Baustoffe luftdurchlässig sind. Pettenkofer hatte hierbei jedoch übersehen, dass der Luftdruck im Gebäude sich üblicherweise nur wenig vom Außenluftdruck unterscheidet und somit keine treibende Kraft für einen Luftaustausch vorhanden ist. Auch der Staudruck, welcher durch den Wind an der Außenoberfläche von Fassaden verursacht wird, ist viel zu gering um einen Luftaustausch zu bewirken. Hinzu kommt, dass die von ihm für die Versuche benutzten Baustoffe in der Praxis immer zusätzlich mit luftdichten Schichten wie zum Beispiel Putzen versehen werden. So ist festzustellen, dass gemauerte Wände luftdicht sind und auch gemäß den Rechtsvorschriften luftdicht sein müssen, sie "atmen" also nicht im Sinne einer Luftdurchlässigkeit der Wand.

Mit dem Begriff "atmende Wand" wird aber heute meist eine sorptionsoffene Beschichtung der Innenwand und die Möglichkeit der Feuchtigkeitsdiffusion durch die Häuserwand nach außen gemeint.

Bei einer sorptionsfähigen Innenwand kann Feuchtigkeitsanfall in der Wohnung, z.B. beim Kochen durch Wasserdampf, kurzzeitig von der Wandfläche aufgenommen werden. Somit schlägt sich das Kondenswasser nicht beziehungsweise nur wenig auf Oberflächen nieder. Nur über eine ungehinderte Diffusion bleibt die Wandkonstruktion trocken.

Im Badezimmer kann aber eine "atmungsaktive" Wandoberfläche nachteilig sein, wenn sie die Feuchtigkeit aufnimmt, anschließend aber nicht mehr ausreichendend zum Trocknen gelüftet wird, so dass Schimmelpilzbefall auftritt. In diesem Falle wäre es günstiger, eine versiegelte Oberfläche zu haben, auf der das Kondenswasser sich deutlich abzeichnet. Der Nutzer könnte dann die Lüftungsnotwendigkeit erkennen, bzw. die Feuchtigkeit durch Abwischen von der versiegelten Oberfläche entfernen.

Außenwände (Putze, Anstriche, Schutzbeschichtungen) sollten möglichst kein Wasser in flüssiger Form eindringen lassen, andererseits aber für Wasserdampf möglichst durchlässig sein, um durch Risse in der Wandoberfläche oder auf anderem Wege eingedrungene Feuchtigkeit wieder herausdiffundieren zu lassen (geringer Diffusionswiderstand nach außen). Diese gewünschte Eigenschaft der Wände wird auch als "atmungsfähig" oder "atmungsaktiv" bezeichnet. Wenn die Oberfläche diffusionsdicht beschichtet wird, könnte sich der Wassergehalt der Wand bis zur Sättigung erhöhen und Moos-, Algenbewuchs oder Schimmelpilzwachstum die Folge sein.